Blümchenbeitrag Gesundheit Kempen Menschliches Niederrhein

Heute beim Arzt – über Hottehühs, Wartestühle und Platt

Haben Sie mal versucht vor Ostern einen Termin beim Augenarzt zu bekommen?

Meine Augenärztin ist in Urlaub. Also habe ich heute morgen sofort bei einem Kollegen in Kempen angerufen: 8:00 Uhr. Ich könne vorbei kommen, müsse aber die EUR 10,- mitbringen und die Karte. Was das heißt, dass man vorbeikommen darf, ist sicher klar: kein Termin, sondern Wartezeit.

Beim Arzt

Immerhin ist die Dame am Empfang sehr freundlich, begrüßt mich beim Eintreten sogar mit Namen und nimmt mir prompt die EUR 10,- ab. Ich darf im Wartezimmer Platz nehmen. Dort warten bereits weitere drei Patienten mit Augenproblemen. Beim Verlassen des Büros schnappte ich mir noch vorsorglich ein Buch von Jorge Bucay. An der Wand im Wartezimmer prangt ein Warnhinweis, dass Notfälle zu Verzögerungen führen können. Vermutlich hatten doch der eine oder andere Patient mal längere Wartezeiten?

Beim Setzen knarrte mein Stuhl ziemlich heftig, fast um mir zu signalisieren: ich breche gleich zusammen. Es waren so moderne weiße Stühle – gewesen vor 20 Jahren. Jetzt liegen kleine Sitzkissen darauf, wohl weil man dem Sitzfleisch etwas helfen wollte. Ich finde das sehr aufmerksam, denke aber wieder an die Wartezeit.

Gewohnte deutsche Stille im Wartezimmer

Das Klima im Wartezimmer ist wie immer sehr verhalten. Keiner redet miteinander. Einzig ein „Guten Morgen.“ bei jedem neuen Besucher. Vermutlich sind keine gemeinsamen Themen vorhanden.

Nach etwa einer halben Stunde werde ich aufgerufen. Kurz vor dem Behandlungszimmer darf ich dann noch einmal auf den Wartestühlen Platz nehmen. Der Stuhl knarrt wieder. Systemimmanent also. Nach weiteren 10 Minuten Wartezeit werde ich in das Behandlungszimmer begleitet und von der netten Dame voruntersucht.

Geschichten zum Nachdenken
  • Bucay, Jorge (Autor)

Warten, Warten, Warten

Dann warte ich auf den Augenarzt. Der ist sehr freundlich, gibt mir die Hand, liest sich kurz durch, was seine Helferin schon getestet hat. Nach einer Minute mit dem Kinn in dem Untersuchungsgerät bittet der Doktor mich zuerst Tropfen zu nehmen, um die Pupille zu erweitern. Nach in paar Minuten in einem anderen Behandlungszimmer bekomme ich die pupillenerweiternden Drogen in mein linkes Auge. Man dürfe für die nächsten zwei Stunden kein Auto fahren. Auweia, denke ich; ob sich daran jemand hält?

Wieder im Wartezimmer sitzen ein paar mehr Menschen dort. Eine nette junge Dame mit Mutter auf der anderen Seite, den Kopf auf dem Schoß der Mutti. Na, denke ich, die hat sich schon mal passend auf die Wartezeit eingerichtet. Das Mädchen hat ein ordentliches Veilchen. Das macht mich neugierig und ich denke ich müsse mal was für das Klima tun. Ich frage was passiert ist. „Ich bin vom Pony gefallen.“. Ich sage ihr, sie müsse in jedem Falle sagen, dass der andere schlimmer aussieht. Ein Lachen. Dann wird die junge Frau aufgerufen. Schade denke ich – für mich.

In der Ecke sitzen zwei ältere Herren und unterhalten sich lautstark. Eine ältere Dame stößt die Türe auf und kommt mit ihrem Rollator durch die aufgestoßene Türe. Der Sessel knarrt auch bei Ihr. Scheinbar ist nicht nur mein Bierbauch die Ursache. Die beiden Herren reden über Ihre Bekannten. „Der Dings-Willi – der Schmitz Willi…“. Es ist kaum zu verstehen, was aber nicht an der Lautstärke liegt, sondern daran, dass die beiden ganz übles Niederrheinisches Platt reden. Hans Dieter würde aus der Szene was machen können, denke ich. Irgendwie erinnern mich die beiden an Loriots Gestalten in der Badewanne. Nur das Platt stört. Und natürlich fehlt die Badewanne. Jetzt geht es um Dieter, der doch zwei Steuerkarten hat. Ich frage mich wie das wohl geht.

Die Kleine mit dem Veilchen hat ein Hottehüh. Und eine große Pupille.

Nach einiger Zeit setzen sich die Mutter und die junge Dame dann neben mich, mangels weiterer Knarrgelegenheiten. Auch die Ponyreiterin hat die Bewußtseinserweiterung erhalten. Wir gucken uns in die Augen und stellen fest, dass es lustig aussieht mit einer großen Pupille. Dann lerne ich einiges über Hottehühs. Sie hat zwei Pferde. Mutti kann gerade noch einwerfen: „Wir haben!“. „Ja, wir haben.“ sagt die junge Reiterin. Dass man nach einiger Zeit absitzen muss und den Sattel festzurren muss, das weiß ich noch. Aber die Große reitet schon Dressur. Und ihr Bruder fährt Traktor und muss auf Turnieren ab und zu den Pferdeanhänger rückwärts einparken. Der kann nämlich sogar zwei Hänger am Traktor rückwärts fahren. Ihr Bruder ist 10 Jahre alt. Mutti fügt hinzu, dass die anderen Turnierteilnehmer schon mal verblüfft sind über den Fahrer ihres Wagens.

Na denke ich: endlich mal ein angenehmes Gespräch beim Arzt. Das kommt nicht von ungefähr, denn die Mutter ist Arzthelferin und beide sind sowieso offener für menschliche Begegnungen. Außerdem kommen die beiden nicht aus Kempen. Das war ja klar. Mir ist es recht, den von Bucay kann ich nie mehr als zwei Geschichten verkraften bevor ich sie verarbeitet habe. Im Kopf formt sich bei mir die Frage, wie man schöne Fotos von Hottehüh mit Reiterin macht. Unschärfe, Mitziehen, ich habe ein paar Ideen.

Aus 20 Minuten für die Bewußtseinserweiterung werden langsam 40 Minuten. Beim Nachfragen wird mir versichert, dass man mich nicht vergessen hat. Dann werde ich übel aus dem Pferdegespräch gerissen und der nette Augenarzt stellt fest, dass ich eine Glasgewebeveränderung habe. Nichts Ungewöhnliches und nichts worüber ich mich aufregen soll. Das kommt vor und die Ursachen sind unbekannt. Na schön, dann eben Glasgewebeveränderungs-Krüppel auf Lebenszeit.

Als ich ins Wartezimmer zurück komme sind die Loriots immer noch da. Und die Dame mit der Tochter auch noch. Insgeheim wünsche ich den beiden bald dran zu kommen und gebe noch höflich ein Visitenkärtchen ab. So nette Menschen trifft man nicht alle Tage. Außerdem würde ich gerne mal Hottehühs fotografieren. Ich kann nur sagen: öfter mal vor einem Feiertag zum Arzt gehen!

Heute beim Arzt - über Hottehühs, Wartestühle und Platt

7 Kommentare zu “Heute beim Arzt – über Hottehühs, Wartestühle und Platt

  1. Holger Ehrlich

    Das klingt ja nach einem einigermaßen entspannten Arztbesuch. Aber was trieb Dich denn überhaupt notfallmäßig zum Augenarzt? Glasgewebeveränderungen verursachen, soweit ich mich an meine Ausbildung erinnern kann, keine plötzlichen Beschwerden.

  2. Hallo Holger, erst dachte ich, die Sehstörung habe mit meiner Erkältung zu tun. Dann hatte ich am Mittwoch abend beim Aikido wieder die Sehstörung und dachte es wäre eine gute Idee das schnell untersuchen zu lassen und nicht erst eine Woche später zum Augenarzt zu gehen. Es hätte ja auch eine Entzündung sein können. So kam das…

    Lieben Dank und Gruß, Peter

  3. Holger Ehrlich

    Bei Sehstörugen sollte man in der Tat möglichst umgehend einen Arzt aufsuchen.

  4. Hallo Holger, Deine Beiträge (vor allem beim antibuerokratenteam) klingen ja ganz anders als damals. Respekt, hätte nicht gedacht, daß Du Dich änderst. Gruß Mario. (Du weißt schon, welcher). PS: Tut mir leid wegen S.

  5. Holger Ehrlich

    Hallo Mario, mal davon abgesehen, dass Du hier falsch bist, kann ich mich an keinen Mario erinnern. Bein antibürokratieteam habe ich schon ewig keine Artikel mehr hinterlassen. Und was Dir an S. leid tun könnte, kann ich mir auch nicht vorstellen. Kann es sein, dass Du ein Spammer bist, der sich an Spam Karma vorbeischleichen will?

  6. Nein, da tust Du mir jetzt Unrecht. Ich habe bei google „holger ehrlich“+dresden eingegeben. Ich denke mal, daß es da nicht so viele gibt (zumindest laut Melderegister;-). Mit S. meine ich Silke. Wenn dies eine Verwechslung ist, dann vergiß es. Wenn nicht, melde Dich mal. Gruß Mario.

  7. Holger Ehrlich

    Es ist eine Verwechslung, wie Du leicht hättest feststellen können, wenn Du meine Website besucht hättest.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.