Kempen Leben & Tod

Friedhof – eine besondere Stimmung?

Geht man auf einen Friedhof, kommt es einem so vor, als müsse man leise sein. Schaut man genauer hin, kann man hier fast nur Menschen mit Hunden spazieren gehen sehen. Tote sieht man keine, nur Gräber und Grabsteine. Die Hunde wiederum verhalten sich ganz normal auf dem Friedhof. Sie pinkeln dort genauso wie überall und sind auch nicht leiser oder verhalten sich demütiger als unter normalen Bedingungen. Vielleicht deshalb, weil der Tod eben auch normal ist? Ich will jetzt nicht behaupten, dass sich Tiere viele Gedanken über den Tod machen, aber sie haben einen ausgeprägten sechsten Sinn oder sagen wir einfach Mitgefühl und können schon fühlen, ob eine Situation anders ist, ob sich ihr Mensch oder andere Menschen an einem Ort anders verhalten. Tiere sind überhaupt oft viel einfühlsamer als Menschen.

Theorie zum Friedhof

Ich habe eine Theorie, warum wir den Friedhof als etwas Besonderes empfinden: Einmal vielleicht weil wir alle jemanden kennen, der uns nahe stand und auf einem Friedhof beerdigt liegt. Zum anderen weil die meisten Menschen das Thema Tod scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Das ist etwas Unbequemes, etwas Unbekanntes, vor dem Thema haben die meisten Menschen Angst. Wer häufiger damit zu tun hat, wie zum Beispiel Menschen die in der Sterbebegleitung arbeiten, und sich mehr mit dem Thema beschäftigt, für den ist der Tod etwas Normaleres. Ganz normal kann er vielleicht nicht werden, dazu ist er zu unbekannt und es geht oft im Kopf um das Danach, was noch unbekannter ist als das Sterben.
Die meisten Menschen kümmern sich nicht um den Tod. Dabei ist der doch das Einzige was wirklich sicher ist im Leben. Alles andere kann man nicht vorher sagen und kommt immer anders als man denkt. Der Ausflug zu Verwandten auf den man sich überhaupt nicht freut, überrascht einen durchaus positiv. Das Buch was man empfohlen bekam, ist gar nicht nach meinem Geschmack. Mein Lieblingsrestaurant hat geschlossen und ich hatte mich so auf das Essen gefreut. Man heiratet und stellt fest, dass man zwar ein gutes Herz hat und alle einlädt, sich die Verwandten aber am Hochzeitstag nur um sich selber und um ihren Magen drehen.

Enttäuschung kommt von Täuschung

Enttäuschungen überall. Das kommt von Täuschung oder falschen Erwartungen. Als wir nach Indien geflogen sind, habe ich mit Absicht gar nichts erwartet, außer dass es anstrengend werden würde. Ich wurde nicht enttäuscht, habe ganz viele Impressionen mitgebracht. Aber auch in Indien rennt so mancher vor dem Thema Tod eher davon, als sich damit zu beschäftigen. Wie gehen Sie damit um, wenn Sie eine Aufgabe haben, Sie etwas beschäftigt? Sind Sie auch der Typ, der wegläuft, es wegschiebt, nur um es wenig später mit noch größerer Vehemenz wieder auf den Tisch geknallt zu bekommen? Oder gehen Sie auf Aufgaben zu und kümmern sich, um gleich darauf festzustellen, dass es hinterher einfacher ist mit etwas umzugehen?

Lieber die Urne?

Ich bin gestern auf dem Kempener Friedhof gewesen und habe dort ein paar Male hingefühlt, bin stehen geblieben und habe versucht mir vorzustellen, wie das ist da unten. Ich persönlich ziehe die Urne für mich vor, die in Holland auch jeder auf den Kaminsims stellen darf. Die Urne hat im Vergleich zum Friedhof weniger mit Religion zu tun, welche ich in meinem Leben nicht vermisse. Überhaupt denke ich dass viele Menschen religiös oder fromm sind, weil sie Angst haben vor dem Tod, vor Dingen die sie nicht lenken können. Aber das ist nicht schlimm. Schlimm finde ich dass die Kirche auch nur sehr negativ und distanziert mit dem Thema umgeht. Es bereitet seine Schäfchen auch nicht auf das Sterben vor. Warum also dann ein Jesus auf dem Grab stehen muss? Hat sich dieser Mensch da unten in der Gruft geopfert? Ist er jetzt Jesus? Oder bei Jesus? Oder was sollen die ganzen Kreuze auf dem Friedhof? Uns erinnern an den Tod? Uns demütig machen, damit wir herunter kommen vom hohen Roß?

Da kommen einem die Gießkannen, die man mit einem Zweieurostück entfesseln kann, doch sehr menschlich vor.

Friedhof - eine besondere Stimmung?
The End: Das Buch vom Tod
  • Wrede, Eric (Autor)

5 Kommentare zu “Friedhof – eine besondere Stimmung?

  1. Peter W. Sawatzki

    Friedhöfe sind ganz besondere Stätten. Es sind Inseln inmitten unserer Städte, die weitestgehend frei sind von Werbung, Lärm und Hektik. Schon allein das vorgerückte Alter der meisten Besucher sorgt für eine allgemeine Gemächlichkeit.

    Die Gräber erzählen mir Geschichten. An den Daten, der Reihenfolge der Aufschriften und an den Namen und Geschlechtern kann ich ganze Geschichten ablesen oder mir doch zumindest ausmalen.

    Die Gestaltung der Grabsteine und Pflanzanlagen zeigen wir etwas über die Hinterbliebenen und wie sie mit diesem Thema, dieser Stätte umgehen.

    Aus eigener Erfahrung weiß ich, daß Grabsteine in den meisten Fällen nicht willkürlich gewählt werden, sondern nur aus zwei Motiven heraus ausgesucht werden:

    Entweder nimmt man den, den alle nehmen oder den ein jüngst verstorbener Bekannter bekommen hat oder man sucht gezielt die Motive, Schrift, Aufschrift und das Beiwerk aus, um etwas über den Verstorbenen zu erzählen.

    Die Standardsteine finde ich einfach nur phantasielos. Viel schöner und interessanter sind wiederum die, die eine Geschichte erzählen. Das kleine eingehauene Segelflugzeug auf dem Grabstein meines Freundes Hugo z.B. erinnert mich an die vielen gemeinsamen Stunden beim Fliegen. Eine eingemeißelte Harley-Dadidson bei Mike lenkt meine Gedanken darauf, wie sehr er sein Motorrad geliebt hat und wie schrecklich der Unfall war, dem er zum Opfer fiel.

    Die Menschen, die den Tod eines nahen Angehörigen zu beklagen haben, sind in den meisten Fällen zu keiner vernünftigen Entscheidung fähig.

    Es ist immer der Bestattungsunternehmer, der als allererster Ansprechpartner für alles herhalten muß.
    Er lenkt und führt die Menschen durch diese schweren Stunden und ich behaupte nicht nur, sondern ich weiß, daß 90% der getroffenen Entscheidungen im Zusammenhang mit einer Bestattung und der Grabanlage vom Bestatter beeinflußt, wenn nicht sogar entschieden werden.

    Die Tabuisierung des Themas, die Unkenntnis der Abläufe, die oft kolportierten falschen Informationen und nicht zuletzt die Trauer machen die Menschen wissens- und willenlos.

    Unseriöse Bestatter vermögen dies auszunutzen, um abzusahnen. Ich behaupte aber, daß das eher bei den sogenannten Billigbestattern der Fall ist, die über ihre günstigen Komplettpakete hinaus, die Angehörigen noch zu diesem oder jenem überreden.

    Aus dieser Sicht ist es günstiger, zu einem alteingesessenen und eher etwas teureren Bestatter zu gehen. Er wird, da er sowieso seinen Schnitt machen wird, sehr bemüht sein, die Wünsche der Angehörigen zu ermitteln, herauszukitzeln und dann so umzusetzen, daß alles perfekt paßt.

    Er ist auch derjenige, der die gesamte seelsorgerische Arbeit leistet. Pfarrer sind so unterschiedlich, wie die Sandkörner am Meeresstrand. Jedes für sich genommen, ein absolutes Einzelstück und doch aus nur 30 cm Entfernung betrachtet, alle gleich und eine einförmige Masse.

    In der Regel haben die Pfarrer aber viel zu wenig Zeit und viel zu wenig Enthusiasmus, um sich so einfühlsam auf die Angehörigen einzustellen, wie es notwendig wäre. Es gibt leider viel zu wenig Bestatter, die gute Beerdiger sind. Viele sind gute Täufer, gute Hochzeiter und gute Prediger, aber gute „Leichner“ gibts zu wenig.

    Einen freien Trauerprediger zu nehmen, hat immer so ein gewisse „Geschmäckle“, wie man hier sagt. Aber immerhin verstehen die ihr Handwerk.

    Und wieder ist es der Bestatter der lenkt und entscheidet. Seine Empfehlungen steuert den ganzen Ablauf und entscheiden über den Fortgang.

    Er ist es auch, der dem Steinmetz letztlich dazu verhilft, seine Kunst zu beweisen. Gibt der Bestatter nach der Trauerfeier das Heft aus der Hand und überläßt er es den Angehörigen, den Grabstein auszusuchen, wird viel zu oft 08/15-Ware genommen.

    Ein Standardstein mit einer computergeätzten Standardschrift, das geht schnell, ist für den Steinmetz billig und bringt raschen Gewinn. Die Angehörigen weichen nicht vom Mainstream ab, müssen sich ihrer Entscheidung nicht schämen und vor allem: sie müssen gar nichts entscheiden.

    Bohrt der Bestatter etwas nach, nimmt er sich die Zeit, die sich vor Entscheidungen drückenden Hinterbliebenen etwas zu „quälen“, dann kommen oft die interessantesten Sachen dabei heraus.

    So entstehen auch in heutiger Zeit interessante Grabstätten, die Geschichten erzählen.

    Zum Thema „Jesus auf dem Grab“ möchte ich mich nicht äußern, dazu sind unsere Meinungen vermutlich zu unterschiedlich. Es kann aber weder verwerflich noch kommentierbar sein, wenn Menschen ihre Hoffnung auf etwas setzen, selbst wenn es nur eine virtuelle Vorstellung ist. Keiner von uns weiß auch nur im Geringsten, was morgen sein wird. Niemand weiß um die Stunde seines Todes. Das was uns von allen Tieren unterscheidet ist aber das Wissen um die Tatsache, daß wir eines Tages sterben müssen. Hätte man nicht irgendeine Hoffnung, eine Vorstellung von dem was morgen sein wird, wäre unser Leben nicht lebbar.
    (lies: leb-bar).

  2. Maike Neumann

    Hallo,

    im Grossen und Ganzen kann ich da nur zustimmen.Sehr schön geschrieben.
    Ich denke aber nicht,dass die Tiere nicht wissen,dass sie gehen müssen.Eher die wissen es und nehmen es in den meisten Fällen sehr gelassen und beruhigt hin.Das habe ich an unserem Hund gesehen.

    In Spanien wirken die Friedhöfe auf mich beruhigend.Meistens ist da noch weniger los und es gibt unheimlich viele alte Grabsteine,die Geschichten erzählen,aber auch junge Grabsteine,die erahnen lassen,was geschehen sein muss und woran der Mensch gehangen hat.

    Für mich ist der Firedhof eine Stätte der Entspannung.Endlich finde ich da Ruhe,denn es ist ruhig.Evtl. ist es gar nicht so schlecht,dass die Menschen auf den Friedhöfen so ruhig sind und das schon so anerzogen wurde,aus welchem Grund auch immer.Denn dann gibt es da niemanden,der mich erschrecken kann, zu laut am Handy redet,private Unterhaltungen jedem mitteilen muss und das ständige Handygepiepse nervt nicht.Selbst wenn eine Straße vorbeiführt,stört auch die nicht mehr.

    Gruss

  3. Hallo Maike, ja Du hast sicher Recht mit dem Wissen der Tiere. Danke Dir!

  4. Sehr wahr, dass Tod doch das Einzige was wirklich sicher im Leben ist und trotzdem denkt man daran nicht so oft! Ihre Theorie zum Friedhof ist interessant und ich bin damit einverstanden. Tod macht uns Angst und deswegen halten wir Friedhöfe folglich als etwas Besonderes. Alles, was unbekannt ist, macht uns einigen Sorgen.

  5. Das Thema Tod ist sicherlich nicht das liebste Gesprächsthema der meisten Menschen. Wie Sie bereits anführen, führt mitunter dies dazu, dass wir Friedhöfe als besonders wahrnehmen. Mich beschleicht stets ein mulmiges Gefühl, selbst wenn ich nur an Friedhöfen vorbeifahre, weil es mich unweigerlich mit dem unangenehmen Thema des Todes konfrontiert. Vielen Dank für Ihren Beitrag!

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