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50.000 Zuschauer in Wembley

Es ist der 05. September 1997 in London. Wir fahren etwa 2 Stunden von der Südküste bis zum Wembley Stadium. Der Einlass ist strickt, aber wir haben Reihe 23 und das ist sehr nah am Geschehen. So nah wie es für 50 Pfund geht. Horrender Eintritt für die Plätze, aber wir haben das Verlangen dieses Geld zu investieren. Genauer gesagt: Ich habe das Verlangen und meine Frau und mein Schwiegervater gehen einfach mir zuliebe mit. Nicht daß ich verliebt bin in die Jungs, aber die Melodien lösen bei mir mal Gänsehaut, mal wildes Tanzen aus. Vielleicht liegt es daran, daß ich in der Tanzschule die Schritte zu den Liedern aus den 70ern gelernt habe. Noch heute tanze ich das zu gutem Rotwein und beim Kochen in der Küche. Jedes Mal wünsche ich mir die Lichtorgel und die Discokugel an der Decke.

50.000 Zuschauer in Wembley

Die Vorgruppe will keiner hören. Der Himmel bedeckt sich. Typisch für England zu allen Jahreszeiten denke ich. Aber wen stört das schon? Ich freue mich wie ein Kind auf die Musik und die drei Jungs plus Band. Neben uns sind Deutsche, was für ein Mist. Du kommst den ganzen Weg nach England und die wohnen auch noch ganz in der Nähe von Kempen. Wieviele Möglichkeiten gibt es im Leben?

Im Hintergrund der Vorgruppe hört man einen Hubschrauber einschweben. Und noch mal einige Zeit vergeht, bis die Vorgruppe Ihre Instrumente abgeräumt hat und das Licht ausgeht. Mit atemberaubendem Applaus kommen die Jungs rein und spielen einen Hit nach dem anderen. Kein großes Vorspiel, keine Ansagen, keine wirklichen Dialoge mit dem Publikum – die Drei sind ganz schön introvertiert trotz Ihres Erfolges. Der Song für Andy treibt allen die Tränen in die Augen, weil man den Bruder auch noch groß auf der Leinwand sieht, bevor er an Herzversagen und zu schnellem Leben starb. Was haben die alles geschrieben – Songs für Diana Ross, Dolly Parton, dann die ganzen Discosongs für Olivia und John, die den Boom der Discos ausgelöst haben. Keinen hält es dabei auf den Sitzen. Irgendwann singen sie eine Celine Dion-Song den die Drei komponiert haben. Die Stimmung rutscht in den Keller, trotz der ganzen Hits die vorher zu hören waren.

Beim Folgesong Tragedy springen alle auf. Ich habe den Song nie gemocht und jetzt hält mich nichts mehr. Ich werde verrückt so gut ist die Stimmung, der Drive, die Atmosphäre. Ich schaue mich um und mir schießen Tränen in die Augen beim Anblick von etwa 50.000 Menschen hinter uns auf den Plätzen und Rängen. So was habe ich noch nie gesehen: die Menschen tanzen, halten Feuerzeuge hoch, singen sich die Stimme aus dem Leib. Ich freue mich das zu erleben, zu fühlen, zu sehen, zu hören, zu spüren. Wer so etwas noch nicht erlebt hat, der hat etwas verpasst. Trotz der Qualen der Parkplatzsuche, Warterei und der Kosten.

Jede Sekunde zählt, es mag nie aufhören. Ein Hit nach dem anderen, alles vergeht so schnell, wie in Sekunden. Unverkennbar das Tremolo in der Stimme von Barry. Heartbreaker für Dionne Warwick geschrieben, Grease, Jive Talkin´, How deep is your love, Stayin´ Alive – niemanden hält es auf den Stühlen, obwohl das Durschnittsalter der Zuschauer eher bei 50 Jahren liegt, viele weibliche Fans darunter, die wie an St. Martin beleuchtete rote Herzen in die Luft halten und über ihren eigenen Eifer und die Liebe lachen. Alle fühlen sich versetzt in die Zeiten, als es keinen Kummer gab, als es ein Gefühl wie Weihnachten war, die Filme wie Saturday Night Fever oder Grease zu sehen und mitzuleben.

Irgendwann fallen wir in die Leere, die Leere die bleibt, wenn alles vorbei ist. Das Autoradio gibt es nicht her. Es kann nicht die Atmosphäre, nicht die Livemusik, das Erlebnis. Die Erinnerung bleibt einzigartig. Heute ist Maurice tod, seine Brüder Robin und Barry scheinen darunter gelitten zu haben wie die Tiere. Es folgt kein Hit mehr, kein Liveauftritt. Nichts ist mehr wie damals. Was für ein wunderschönes und einmaliges Erlebnis mit den Bee Gees. Nicht wiederholbar, nicht wegzudenken. Ich bin sehr dankbar, heute noch. Der Grund warum wir hier sind, der Sinn im Leben: Das Glücklichsein. Gestern noch haben wir es diskutiert. Die Liebe und das Glücklichsein. Das ist es worum es geht. Nichts mehr.

1 Kommentar zu “50.000 Zuschauer in Wembley

  1. Das hat wirklich etwas magisches, so ein Live-Event, wenn die Band gut ist. Ich habe dieses Gefühl paar Mal (viel zu selten) erlebt. Liegt aber daran, dass ich selten unterwegs bin. Mushin pur.

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